Medical Gaslighting – wenn Ärzte/Ärztinnen Frauen krank machen

“Sie sind kerngesund, Sie haben halt PMS. Damit müssen Sie leben.”

 – Die Endokrinologin, die den Diabetes nicht fand. 

“Sie haben einen Hirntumor. Gehen Sie nach Hause und hören Sie auf, Kaffee zu trinken und Schokolade zu essen.”

Der Frauenarzt, der ganz ohne Blutabnahme Tumore diagnostizieren kann.

“Die Schmerzen in den Füßen bilden Sie sich nur ein.” 

– Der Orthopäde, nachdem seine von mir selbst zu zahlende Therapie nicht anschlug. Es war vermutlich peripherale Neuropahtie (Diabetisches Fußsyndrom).

Das sind nur einige Beispiele aus meinem Erfahrungsschatz mit Ärzten. Regelmäßig bekomme ich Nachrichten in der Art von anderen Betroffenen und es sind immer nur Frauen. Männer, so scheint es, werden vom medizinischen Personal ernster genommen.

Spielen Alter und Bildung eine Rolle bei Medical Gaslighting?

Das Alter ist hier kein Faktor, ebensowenig die Bildung. Ich habe zwei hochwertige Abschlüsse in der Tasche, ein Diplom und einen Master. Ich war 30, als man einen Himtumor falsch diagnostizierte, der sechs Jahre lang mit einem Dopminagonisten behandelt wurde.

Das Problem dabei: Ich hatte nie einen Tumor. Ich hatte Insulinresistenz und da hilft es nicht, das Dopamin herunterzuschrauben. Eine der vielen Falschdiagnosen, die man leicht hätte korrigieren können. 

Aber warum ist das eigentlich nicht passiert? Diese Frage stelle ich mir, seitdem ich im September 2018 dann endlich die richtige Diagnose erhalten habe. Ich bin davon überzeugt, dass es mit meinem Geschlecht zu tun hat und dass Frauen grundsätzlich im Gesundheitssystem schlechter gestellt sind als Männer.

Die minderwertige medizinische Betreuung und systemische wissenschaftliche Diskriminierung von Frauen und Frauengesundheit sehe ich als vielleicht wichtigsten und am wenigsten thematisierten Bereich, in dem Frauen benachteiligt werden. Und deshalb müssen wir unbedingt mehr darüber reden.

Was versteht man unter Medical Gaslighting?

Der Begriff Gaslighting (für den es so keine deutsche Übersetzung gibt) wurde aus dem Theaterstück “Gas Light” aus dem Jahr 1938 übernommen. Darin manipuliert ein Mann seine Frau, sodass sie wahnsinnig wird.

Die Manipulation besteht darin, dass der Gaslighter dem Opfer die Wahrnehmungsfähigkeit abspricht. Dieses beginnt daraufhin, an der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit zu zweifeln, bis es daran zerbricht. Grundvoraussetzung dafür ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Opfer. So wie es zwischen Arzt und Patientin der Fall ist.

Wobei beim Glaslighting durch medizinisches Fachpersonal noch eine weitere wichtige Komponente hinzukommt: die Macht. Wo ein Machtgefälle existiert, besteht immer die Möglichkeit des Machtmißbrauchs.

Der Arzt verfügt über spezifisches Fachwissen und geht davon aus, dass nur er allein die Deutungshoheit darüber besitzt. So entsteht eine toxische Machtdynamik, welche die Handlungsfähigkeit der Patientin einschränkt. Denn diese, als die Unwissende, ist auf den Fachkundigen angewiesen.

Bleibt die fachkundige Interpretation aus, fällt die Patientin auf sich selbst zurück. Ich sehe darin den Hauptgrund für das Ausmaß an Selbstdiagnose, Selbstmedikation und ideologischer Verwerfung, die wir im Gesundheitsbereich finden.

Brauchen wir ein medizinisches “Me too”?

Krankheiten manifestieren sich bei Männern und Frauen unterschiedlich. Bestes Beispiel: der Herzinfarkt. Bei Männern tritt dabei häufig ein starker Schmerz im Brustkorb auf, der in die Gliedmaßen ausstrahlen kann.

Bei Frauen gibt es eine Vielzahl an diffusen Symptomen, sie reichen von Übelkeit über Kurzatmigkeit bis hin zu Schlafstörungen. Wer würde da gleich auf das Herz kommen? Richtig, niemand. Könnte das der Grund dafür sein, weshalb Männer zwar auch häufiger an Herzkrankheiten erkranken, aber Frauen häufiger daran sterben? 

Bei Insulinresistenz sieht es übrigens ähnlich aus: Das meiste, was wir über Insulinresistenz wissen, wurde über Forschung an Männern und Frauen in der Postmenopause gewonnen. Die Postmenopause ist jene Lebensphase, in der wir keinen Zyklus mehr haben und somit dem Mann hormonell am ähnlichsten sind. Gefolgt von Schwangeren (Gestationsdiabetes, Macrosomie) und pubertierenden Mädchen (alle ohne Zyklus, was für ein Zufall). 

Nur zwei Frauengruppen sehe ich konsequent unerforscht: Die der gebärfähigen Nicht-Schwangeren und die Frau in den Wechseljahren. Letzterer wendet man sich etwas mehr zu, was sicherlich wirtschaftliche Gründe hat. Denn nicht selten fallen Frauen in dieser Lebensphase aufgrund heftiger Beschwerden aus. 

Erschöpfung, Depression, Hitzewallungen – wie sollte so etwas einen nicht dabei behindern, wertvolle Arbeit zu leisten oder einfach den Alltag zu bestreiten? Dabei ließen sich so viele Beschwerden mit einfachen Mitteln und notfalls eben fachkundiger Therapie lindern.

Auch Patientinnen mit PCOS, welches oft mit Insulinresistenz einhergeht, fallen Medical Gaslighting zum Opfer. Nämlich dann, wenn ihnen die Pille als einzige Behandlungsmöglichkeit verkauft wird oder wenn es heißt: “Wenn sie jetzt gerade kein Kind wollen, dann brauchen Sie auch keinen Zyklus.” Dabei ist ein gesunder Zyklus für unseren gesamten Hormonhaushalt über die Maßen wichtig und erstrebenswert.

Brauchen wir also ein medizinisches “Me too”? Ohne wird es nicht gehen. Auch die vielen FemTechs, die uns Menstruationstassen und Kräutertees verkaufen wollen, werden dieses Ungleichgewicht nicht beheben. Wir brauchen für dieses Thema mehr Aufmerksamkeit, damit sich endlich etwas ändert im Umgang zwischen Arzt/Ärztin und Patientin.

Was wir auch brauchen, sind mehr Gelder, die in frauenspezifische Studien fließen. Wo Wissenslücken über den weiblichen Körper und seine Gesundheit bestehen, füllen Selbstdiagnose, Selbstmedikation und ideologisches Denken den leeren Raum und gefährden unsere Gesundheit.

Medical Gaslighting Checkliste:

  • Wird deine Wahrnehmung infrage gestellt?
  • Hast du den Eindruck, dass deine Gefühle oder Eindrücke uminterpretiert werden oder dass sie als unberechtigt erscheinen?
  • Werden Aussagen von dir aus dem Kontext genommen und gegen dich verwendet?
  • Hast du das Gefühl, dass man versucht dir zu vermitteln, du seist nicht gut genug?

Wenn du eine dieser Fragen mit Ja benantworten kannt, dann kann es sein, dass du es mit Medical Gaslighting zu tun hast.

Was kannst du gegen Medical Gaslighting tun?

  1. Konfrontiere deinen Arzt/deine Ärztin damit. Mit deinem negativen Feedback hilfst du ihm/ihr, sein/ihr Fehlverhalten zu korrigieren und größeren Schaden zu verhindern.
  2. Geh nicht allein. Ein Grund, weshalb Medical Gaslighting passiert, ist die Situation, wenn du alleine im Behandlungszimmer, ungehört und aungesehen von anderen, mit deinem Arzt/deiner Ärztin bist.
  3. Hol dir eine Zweit-, Dritt- oder Viertmeinung ein. Wir haben freie Arztwahl und müssen nicht für immer bei ein und derselben Person bleiben.

Hey, ich bin Carla

Als ehemalige Führungskraft helfe ich Frauen, die aufgrund ihrer Insulinresistenz unter Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Wechseljahresprobleme, Heißhunger und Blutzuckerschwankungen leiden, ihre Stoffwechselgesundheit in die Hand zu nehmen und sich endlich wieder wohl in ihrem Körper zu fühlen.

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Alle Rechte vorbehalten. Wichtiger Hinweis: Die hier bereitgestellten Informationen stellen keine medizinische Anwendung dar. Sie dürfen auch nicht als solche verstanden werden. Bei jeglichen Änderungswünschen bezüglich einer ärztlich vorgeschrieben Behandlung (bspw. Absetzen von Insulinsensitizern), muss der behandelnde Arzt konsultiert werden. In den hier veröffentlichten Beiträgen veröffentlicht Carla Langner ihre persönliche Meinung und eigene Erfahrung mit Insulinresistenz. Dies dient der Wissensvermittlung und ersetzt keinen Arztbesuch. Langfristig kann eine Gewicht nur durch eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung reduziert werden.

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